Es ist nun 13 Jahre her, die ersten Tage meiner Clownausbildung.
Wir lernten ein wesentliches Clownsprinzip.
Das Jawohl Prinzip
Wir sagten ‚Jawohl‘ zu den Dingen im Raum und dazu, dass wir sie gemeinsam mit einem Clownskollegen entdeckten. Wir sagten Jawohl zu unseren Bewegungen und zu unseren Gefühlen, den guten wie den schlechten. Wir beglückwünschten uns für unsere Erlebnisse und feierten uns als Team von Erlebenden. Zwei Tage lang praktizierten wir das intensiv und immer wieder. Es war für mich phasenweise sehr anstrengend, sogar schmerzhaft. Doch auch dazu galt es ‘Jawohl’ und ‘Glückwunsch’ zu sagen.
Diese Übungen sollten uns zukünftigen ClownspielerInnen vor allem verdeutlichen, dass jedes Objekt, jeder Moment und jeder Zustand reich an Spielmaterial ist.

2010 Anfang der Ausbildung am TuT – hier zusammen mit Ralf Thaller
Erleuchtung auf dem Weg zu Arbeit
Der Dienstag danach:
Dienstags hatte ich immer Frühdienst, das bedeutete ich musste 05:30 Uhr aufstehen, zur Arbeit fahren, die Schule aufschließen um dort jene Kinder zu empfangen, welche bereits vor Unterrichtsbeginn eine Hortbetreuung brauchten. Damals war das Aufstehen um diese Uhrzeit für mich eine Qual, ein Kampf. Ich wollte das nicht tun müssen und litt sehr darunter.
So war es auch an diesem Morgen, ich fuhr wie immer mit der Straßenbahn, saß auf meinem Platz zusammengesunken und versuchte angestrengt zu dösen, in der Hoffnung es verschaffe mir noch ein Milligramm Erholung bevor die Arbeit begann. Meine Haltestelle war erreicht, ich quälte mich hoch und stieg aus. In gebückter Haltung trottete ich meinen Weg zu Fuß weiter. Innerlich wiederholte ich ständig: „Ich bin so müde, ich will nicht, Ich bin soo müde.“
Da sah ich mein Spiegelbild in der dunklen Schaufensterfront eines Ladens. Etwas komisches hatte diese jämmerliche gebückte Haltung schon. Dann blickte ich meinem Spiegelbild in die Augen und sagte mir ein weiteres mal: „ich bin so müde“. Da war es als antworte mein Spiegelbild mit dem Gedanken „Jawohl, ich bin müde“, automatisch antwortete ich mir:“Glückwunsch ich bin müde“.
Mein Zustand, meine ganze Realität veränderte sich innerhalb eines Augenblicks vollkommen. Ja, ich war müde und auf einmal war es in Ordnung, müde zu sein. Alle Qual die ich gerade eben noch in Verbindung mit „Ich bin müde“ erlebte, existierte nicht mehr. Mehr noch: Es war nicht nicht nur in Ordnung, müde zu sein, es war eine Erfahrung, die ich nun genießen konnte. Ich war völlig entspannt, müde und voller guter Laune. Ein inneres Licht der Freude hatte meinen Zustand erhellt. Es war kein Problem, müde zu sein, es war kein Problem auf Arbeit zu müssen. Ich ging einfach müde auf die Arbeit.“Jawohl, ich gehe müde auf die Arbeit.“ Mit diesem umfassenden ‘Jawohl’ hatte ich mir selbst die Erlaubnis gegeben, müde zu sein, mich durchdrang die ganze Intensität des Zustandes ‘müde auf die Arbeit zu gehen.’ Auf einmal war ich hellwach für meine Müdigkeit. Diese Wachheit dehnte sich weiter aus, ich nahm meine ganze Umgebung wahr, ich bemerkte einen leichten Wind im Gesicht, ich hörte Vögel zwitschern. Hatten die Vögel vorher schon gesungen? Gab es sie vorher überhaupt? Waren sie gleichzeitig mit mir erwacht? Lebensfreude durchdrang mich. Mit einem inneren Lachen erlebte ich einen wachen lebendigen Tag.
Meine Erfahrung war die Inspiration für Simon und mich 2022 dieses Video aufzunehmen, als Teaser für einen unserer Workshops.
Dieses Erlebnis lies mich eine Wahrheit über meine Gefühlswelt ahnen, welche für mich zu diesem Zeitpunkt völlig neu war: Viele emotionale und gefühlsmäßige Zustände sind für mich vor allem deshalb schwer zu ertragen, weil ich sie nicht wahrhaben möchte. Es ist nicht das Gefühl, was für mich zum Problem wird, es ist der Kampf, der Widerstand gegen das Gefühl oder den Zustand.
Gerd Bodhi Ziegler, einer meiner spirituellen Lehrer zeigte mir in diesem Zusammenhang, wie transformierend und heilsam es ist, alles anzunehmen was sich mir an Gefühlen, Emotionen und Zuständen zeigt. Denn Leiden, so sagte er sinngemäß, entstehe dann wenn wir einen Widerstand hegen gegen etwas was da ist. Schmerz und Leiden seien zwei unterschiedliche Dinge. Wir können bspw. traurig sein, doch müssen wir nicht zwangsläufig unter Traurigkeit leiden. Immer alles anzunehmen ist uns jedoch nicht zu jeder Zeit möglich. Doch die gute Nachricht ist, so sagte er weiter, wir haben immer eine zweite Chance, denn wenn wir im Widerstand sind, können wir eben diesen Widerstand annehmen.
In meinen Workshops setzen wir als Clowns noch eins drauf, wir nehmen nicht nur an was sich zeigt und sagen ja, sondern beglückwünschen uns auch dafür. Wir staunen darüber. So üben und erweitern wir spielerisch unsere Fähigkeiten der Annahme und der Wertschätzung. Für uns selbst und gegenüber unseren Mitmenschen und Spielpartnern.